Wir standen am Abgrund.
Ingo Neidhardt (Geschäftsführer SOEG mbH)
Das Infrastrukturministerium streicht die Finanzierung der sächsischen Schmalspurbahnen zusammen. In Zittau müssen deshalb Mitarbeiter entlassen und Fahrzeuge dauerhaft abgestellt werden. Auch der Fahrplan wird erheblich eingedampft.
Die Mitteilung vom Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) traf Zittaus Schmalspurbahn-Chef Ingo Neidhardt jüngst wie ein Hammerschlag voll auf die Zwölf. Aufgrund einer Unterdeckung des Staatshaushalts kündigte das SMIL an, die Zuschüsse für die sächsischen Schmalspurbahnen von reichlich 14 Millionen Euro auf acht Millionen Euro im Jahr zu kürzen. „Damit standen wir am Abgrund. Das hätte schlicht das Ende der Zittauer Schmalspurbahn bedeutet“, sagt Neidhardt, Geschäftsführer des Zittauer Schmalspurbahnen-Betreibers Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft (SOEG). Die absolute Katastrophe ist mittlerweile abgewendet – erhebliche Einschränkungen im touristisch für die Region so wichtigen Dampfbetrieb aber sind unausweichlich.
Das Zittauer Schmalspurbahn hat sich in den vergangenen Jahren zur fahrgaststärksten Schmalspurbahn in Sachsen hochgedampft. Gut eine Million Euro erwirtschaftet sie jährlich an Fahrgeldeinnahmen. Mit 2,5 Millionen Euro sind die Bestellentgelte für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aber die wichtigste Säule der Finanzierung. Und die stammen zu einem guten Teil aus sogenannten Regionalisierungsmitteln des Bundes.
Die werden jährlich vom Bund an den Freistaat ausgereicht und fließen weiter über den Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) an die Zittauer Schmalspurbahn. „Diese Regionalisierungsmittel des Bundes sind bis 2031 festgeschrieben“, sagt Neidhardt.
Nun aber disponiert das SMIL in seiner Haushaltsnot offenbar mit Mitteln, die gar nicht dem sächsischen Staatshaushalt entstammen, sondern einfach bloß jährlich weitergereicht werden. „Das Ministerium ist der Auffassung, die Regionalisierungsmittel des Bundes nicht mehr in voller Höhe an die Schmalspurbahnen weiterzuleiten“, sagt Neidhardt und führt auch gleich die Begründung des SMIL dafür an: „Es hieß aus dem Ministerium wörtlich: ‚Die Schmalspurbahnen sind ja kein ÖPNV, sondern Kultur.‘“
Ministerium sieht Dampfbahnen nicht als ÖPNV
Neidhardt weiß, wer aus dem von Ministerin Regina Kraushaar (CDU) geführten Haus das genau so gesagt hat – will aber keinen Namen nennen. Und auch wenn die Schmalspurbahnen zweifelsohne ein Kulturgut darstellen würden, widerspricht er der Auffassung des SMIL ganz entschieden. „Alle fünf in Sachsen täglich verkehrenden Dampfbahnen sind ÖPNV, haben Verkehrsverträge bis in die 2030er-Jahre und sind im Verbund mit den jeweiligen Zweckverbänden“, sagt er. Das sei mit den Dampfbahnen kein bisschen anders als etwa mit dem Trilex oder der S-Bahn in Dresden und Umgebung.
Konkret hätten diese geplanten Kürzungen für die Zittauer Schmalspurbahn einen Rückgang der Bestellentgelte von 50 Prozent bedeutet – übrigens rückwirkend ab dem 1. Januar 2025. „Das hätte zur Aufgabe der Zittauer Schmalspurbahn geführt“, sagt Neidhardt. Immerhin habe das SMIL dann noch mal nachgerechnet und seine Pläne umformuliert. In jenen 14 Millionen Euro Gesamtförderung waren auch stets Gelder für Museumsbahnen oder die Förderung von Werkstätten enthalten – und nur 10,9 Millionen Euro reine Bestellentgelte.
„Das Ministerium wollte dann nur noch diese 10,9 Millionen Euro auf acht Millionen Euro kürzen“, sagt Neidhardt. Aber auch das sei immer noch „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. Die unausweichliche Konsequenz wäre gewesen, den Betrieb der Schmalspurbahn um 25 Prozent zu kürzen, fünf bis acht Mitarbeiter entlassen zu müssen. Und: Mehrere Dampflokomotiven und Züge hätten dauerhaft abgestellt werden müssen. „Nicht mehr der Abgrund, aber eine mittlere Katastrophe“, sagt er.
„Blaues Auge“ statt „mittlerer Katastrophe“
In dieser Situation nun habe Landrat Stephan Meyer ein „deutliches Schreiben“ an das SMIL und die Fraktionsvorstände sämtlicher Parteien im Landtag verschickt. „Das bewirkte ein Nachdenken zumindest in den Verkehrsfachkreisen der Regierung“, sagt Neidhardt – dem SMIL selbst schreibt er keine Verkehrsexpertise zu. Infolgedessen habe das Ministerium die Bestellentgelte dann statt auf acht Millionen nur noch auf zehn Millionen Euro gekürzt.
Im Endeffekt entspreche das rechnerisch einer Kürzung von zehn Prozent in diesem Jahr und sogar zwölf Prozent in 2026. „Wegen der Kostensteigerungen dynamisiert der Bund jedes Jahr seine Regionalisierungsmittel um 1,8 Prozent. Mit der Kürzung auf zehn Millionen Euro durch das Ministerium fällt diese Dynamisierung weg“, erklärt Neidhardt.
Und die bisher nach Ansicht des SMIL in diesem Jahr bereits zu viel ausgezahlten Bestellentgelte sollen noch im ersten Halbjahr 2025 mit den zu zahlenden Bestellentgelten verrechnet werden. „Der Freistaat meint das ernst“, sagt Neidhardt, und weiter: „Mit einer Kürzung von zehn Prozent sind wir von einer mittleren Katastrophe bei einem blauen Auge angelangt.“
Fahrplan erheblich eingedampft
Dennoch bedeute das: Drei Mitarbeiter muss er entlassen, den Sachsenzug, die historisch wertvollste Dampflokomotive – die „Sächsische IVK“ – und den historischen Dieseltriebzug dauerhaft abstellen. Genau so hat Neidhardt das auch bei einer Betriebsversammlung am Donnerstag mitgeteilt.
Dazu kommen erhebliche Einschränkungen im Fahrplan. „Von Montag bis Donnerstag wird es in den verkehrsschwachen Monaten Dezember, Januar und März gar keinen Verkehr geben“, sagt er. Am Stundentakt an Wochenenden in der Hauptsaison wolle man nicht rütteln. „Sonst würden wir 200.000 Euro Fahrgeldeinnahmen verlieren“, sagt Neidhardt.
Ganz hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vom Freistaat werde es definitiv nicht mehr Geld geben, aber: „Jetzt ist die Region gemeinsam mit dem ZVON aufgerufen, darüber nachzudenken, ob sie das so will.“
SZ Artikel vom 03.04.2025