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Die Zittauer Schmalspurbahn will den Tourismus mit innovativen Ideen ankurbeln

In den vergangenen Jahren ist die Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft (SOEG) von einem Rekord zum nächsten gefahren.
2016 haben erstmals mehr als 200.000 Fahrgäste die Schmalspurbahn genutzt. Eine zuvor undenkbare Schallmauer ist damit durchbrochen worden. Die Zittauer Schmalspurbahn ist damit nach der Fichtelbergbahn im Erzgebirge und der Lößnitzgrundbahn zwischen Radebeul und Radeburg die Nummer Drei unter den sächsischen Dampfbahnen. Auf diesen Erfolg will sich SOEG-Geschäftsführer Ingo Neidhardt aber nicht ausruhen. Die SOEG muss sich auch in Zukunft weiterentwickelt, um attraktiv für die Gäste zu bleiben. Die Fahrgastzahlen werden sich dabei nur noch leicht steigern lassen. Auch das Angebot an Fahrzeugen kann kaum noch erweitert werden. Schon jetzt verfüge die SOEG über die attraktivste Fahrzeugflotte in ganz Sachsen, steht für Neidhardt fest und nennt den Sachsenzug, den Reichsbahnzug, den Triebwagen VT 137 322 sowie den I K-Zug als Beispiele. Noch mehr solche Züge machen auf den Strecken zwischen Zittau und dem Bahnhof Bertsdorf sowie Jonsdorf und Oybin eher wenig Sinn. „Auch unser Fahrplan ist ausgereizt“, erklärt Neidhardt.
In diesen Bereichen könne die Zittauer Schmalspurbahn kaum erfolgreich weiterentwickelt werden. Die SOEG müsse deshalb neue Schwerpunkte setzen. Eine der neuen Aufgaben sei die Stärkung des Tourismus in der südlichen Oberlausitz. Das Eisenbahnunternehmen habe über seinen eigentlichen Fahrauftrag hinaus bereits jetzt eine ganze Reihe touristischer Angebote wie beispielsweise die offenen Aussichtswagen, den Gourmetzug, die Burg- und Kloster-Züge oder „Hochzeit auf der Bahn“ geschaffen. Künftig muss weiter nach innovativen Lösungen und neuen Produkten gesucht werden. Denn auch andere Regionen, die um Touristen werben, bleiben nicht stehen, sondern entwickeln sich weiter. „In der Sächsischen Schweiz haben in jüngerer Zeit mehrere neue Hotels, Großgartenbahnanlagen und Kindereinrichtungen eröffnet“, berichtet Neidhardt. Im Zittauer Gebirge sei derartiges kaum zu finden, meint der SOEG-Chef. „Außer dem Neubau bei Trixi fällt mir nichts ein.“ Vor diesem Hintergrund unterstützt die SOEG, so erklärt Neidhardt, die aktuelle touristische Initiative der Stadt Zittau.
Ziel dieser Initiative ist die Bündelung der touristischen Ressourcen im Naturpark Zittauer Gebirge. Es fehle seiner Meinung nach eine effektive Vermarktung nach außen. Gleichzeitig vermisst er den Mut neue, außergewöhnliche Ideen umzusetzen. Diese Risikobereitschaft sei gerade in einer Zeit, in der die Nachfrage nach Auslandsreisen aufgrund diverser Gefahren zurückgeht, besonders wichtig, findet Neidhardt.

Die Zittauer Schmalspurbahn leiste dabei ebenfalls ihren Beitrag – wenn auch nur einen bescheidenen, wie Neidhardt findet. Zwei Personenwagen sind in den vergangenen Monaten zu Ferienwohnungen für jeweils zwei Übernachtungsgäste umgebaut worden. Die beiden Ferienwaggons stehen in der Zeit von April bis Oktober im Bahnhof Oybin den Urlaubern zur Verfügung. Mit diesem besonderen und einmaligen Angebot verbinden sich der Komfort einer gehobenen Ferienwohnung und die Gemütlichkeit eines Wohnmobil mit dem Flair der Zittauer Schmalspurbahn. Die Ferienwaggons verfügen über eine Küche, Dusche, separaten Schlafraum, Sitzecke und TV-Anschluss. „Das ist etwas für Urlauber, die etwas Besonderes suchen“, wirbt der SOEG-Chef. Die Ausstattung habe Vier-Sterne-Qualität und stehe den besten Hotels im Zittauer Gebirge in nichts nach. Von der kleinen „Außenterrasse“ haben die Gäste zudem den besten Blick auf das Betriebsgeschehen der Schmalspurbahn. Schon jetzt gibt es die ersten Reservierungen. „Die ersten Übernachtungsgäste werden bei der Historik Mobil ihren Schlüssel bekommen“, kündigt Neidhardt an. Natürlich besteht beim Schmalspurbahnfest am Freitagabend auch für alle anderen Besucher die Möglichkeit, einen Blick in die neuen Ferienwaggons zu werfen. Schon seit einiger Zeit bietet die SOEG eine gut gebuchte Ferienwohnung im Wasserhäuschen im Bahnhof Kurort Oybin an. Dieses Angebot wird nun durch die beiden Ferienwaggons erweitert.

Auch wenn die Anzahl der Züge ausgeschöpft sei, so gibt es doch in kleiner Form Verstärkung. Für den Sachsenzug wird bei der Historik Mobil ein zusätzlicher Wagen in Betrieb genommen. „Die vorhandenen drei Wagen haben in der Hochsaison nicht ausgereicht“, erklärt Neidhardt. Bei dem neuen Waggon handelt es sich um einen seltenen, aber für Zittau typischen Oberlichtwagen. Der Interessenverband der Zittauer Schmalspurbahnen hatte diesen Oberlichtwagen der Gattung 716 – Baujahr 1899 – kurz nach dem Mauerfall in Mügeln geborgen. Erste Instandsetzungsarbeiten erfolgten bereits zur damaligen Zeit. Viele Jahre stand der Wagen allerdings ungenutzt im Bahnhof Bertsdorf. Gut ein Jahr hatte der Wiederaufbau dieses Kulturgutes gedauert. Dieses Vorhaben umgesetzt haben ausschließlich einheimische Firmen, sagt der SOEG-Chef. Auch ein offener Aussichtswagen, der bislang in Rittersgrün stand, ist in den vergangenen Monaten aufgearbeitet worden. Er werde jedoch erst in ein paar Wochen fertig, weil er in einem sehr schlechten Zustand war, erklärt Neidhardt.
Die Loks, Waggons und Gleise müssen natürlich gewartet werden. In der Sicherung der technischen Basis liegt die andere wichtige Aufgabe der SOEG in den nächsten Jahren. „Wir müssen immer mehr Mittel aufwenden, um die immer ältere Technik einsatzbereit zu halten“, sagt der SOEG-Chef. Damit diese Kosten nicht aus dem Ruder laufen, hat das Eisenbahnunternehmen jetzt wieder investiert: die Lokwerkstatt im Bahnhof Zittau ist erweitert worden. Auch sie soll anlässlich der Historik Mobil symbolisch in Betrieb gehen. „Damit können wir jetzt neben allen Zwischenuntersuchungen der Großdampflokomotiven (VII K) auch alle Hauptuntersuchungen der kleineren Dampflokomotiven (I K und IV K) sowie der Dieselloks und Dieseltriebwagen der SOEG und Döllnitzbahn vor Ort in Zittau durchführen“, erklärt Neidhardt den Vorteil dieser Investition. Auch andere Partner könnten eventuell ihre Lok hier untersuchen lassen. Bislang mussten die Loks für diese Untersuchungen in Fremdwerkstätten gebracht werden. Jetzt spart die SOEG Wege und Kosten. Neben den Fahrzeugen wird ebenso die Instandhaltung in Strecken und Brücken zunehmend wichtiger. Am sogenannten „Jonsdorfer Ast“ kurz hinter dem Bahnhof Bertsdorf sei zwar vor 15 Jahren der Schotter ausgewechselt worden, nicht aber die Schwellen. Die noch aus DDR-Zeiten stammenden Schwellen sind aus Weichholz und haben sich nach mehr als 30 Jahren nunmehr verschlissen – und das auf mehreren Kilometern. „Es drohen einige Langsam-Fahrstellen“, weist der SOEG-Chef hin. Ohne die finanzielle Unterstützung des Freistaates Sachsen und des Zweckverbandes Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) sei diese Aufgabe ebenso wie der Bau der Lokwerkstatt nicht zu lösen. Die SOEG könnte ohne Finanzhilfe nur kleine Gleisabschnitte erneuern. Das würde dem Problem auf Dauer aber nicht gerecht werden.

Quelle: Sächsische Zeitung – Von Jan Lange